Nach mehr als 40 Jahren an der Wöhlerschule, davon fast 22 Jahre als stellvertretender Schulleiter, hat sich Wolfgang Clößner von der Wöhlerschule verabschiedet – und die Schule sich von ihm. „Meine Zeit an der Wöhlerschule war sehr groß“, bilanzierte Clößner bei einer Feier in der Aula der Schule am Mittwochnachmittag in Anspielung auf Rainer Maria Rilke. Rund 200 Gäste aus dem früheren und aktuellen Kollegium, der Schüler- und Elternschaft bestätigten, wie Clößner als Lehr- und als Führungskraft Generationen prägte.

In seiner Abschiedsrede zeichnete Clößner die Veränderungen im Schulleben der vergangenen 40 Jahre nach (von der „Kreide-Zeit“ über die Einführung von Overhead- und Dia-Projektoren bis hin zu Tablets im Unterricht) und merkte kritisch an, wie sich die allerjüngsten Veränderungen auf den Arbeitsalltag auswirkten. „Mit jeder Innovation geht mehr Druck auf den Einzelnen einher, zum Beispiel schnell zu reagieren auf Nachrichten.“ Angesichts des zunehmenden Drucks gelte es, sich bewusst Oasen zu schaffen, „um Zeit zu haben für uns und unsere Lieben“.

Was Schule „im Kern“ ausmache, sei gleichgeblieben. „Es geht immer um Menschen“, sagte Clößner, „und wenn es um Menschen geht, geht es immer um Kommunikation.“ Diese beinhalte Transparenz, gegenseitige Wertschätzung und Offenheit – und sie brauche Zeit. Dazu gehöre auch eine Streitkultur, wie Clößner später ergänzte. „Die Wöhlerschule steht für diese Art von Kommunikation.“

Auch darum falle ihm der Abschied von der Wöhlerschule schwer. „Es ist der Abschied von einer ganz großen Liebe.“ Darum habe es ihn auch nie weggezogen von der Wöhlerschule, in der er seinen „beruflichen Hafen“ gefunden habe.

Clößners „Bleiben Sie Wöhler – Auf Wiedersehen!“ wurde mit minutenlangem Applaus beantwortet, auch von den vier anwesenden früheren und gegenwärtigen Schulleitern der Wöhlerschule, die Clößner an der Schule erlebt haben: Martin Hilgenfeld, Norbert Rehner, Renate Bleise und Christa Eller.

Gleich unter welchem Schulleiter – das „organisatorische Herz einer Schule schlägt in diesem Büro“, sagte Christa Eller, seit 2021 Leiterin der Wöhlerschule und Büronachbarin von Clößner. Sie würdigte „Humor und beeindruckende Ruhe“ ihres Stellvertreters, für den Zusammenarbeit nie lästige Notwendigkeit gewesen sei, sondern Überzeugung.

Eller zitierte aus einem Fundstück in Clößners Personalakte. Dort hatte sie den Brief einer Schülerklasse aus den 1980er Jahren entdeckt, geschrieben, weil – damals in Zeiten der Lehrerschwemme – Wolfgang Clößner nach Abschluss des Referendariats nicht direkt eine Festanstellung an der Wöhlerschule bekommen hatte. Die Klasse setzte sich beim Schulleiter für den beliebten Referendar ein, fand es „ungerechtfertigt“, dass Clößner nicht gleich eine Anstellung an der Wöhlerschule bekommen sollte. Bis heute, so Eller, habe sich durchgezogen: „Du hast die Menschen berührt.“

Dass sein Gespür für das Zwischenmenschliche, Zugewandtheit und Miteinander Leitbild von Clößners Handeln gewesen seien, bestätigte auch Jan Volkmann, Sprecher der Fachschaft Sport, zu der auch Clößner gehörte, der die Fächer Sport, Geschichte, Latein und Englisch unterrichtete. „Nix Chef – ich bin hier nur der Bademeister!“, so habe einer der häufigsten Sätze von Wolfgang Clößner gelautet. Eine Selbstbezeichnung, die Volkmann zufolge dem Vergleich mit realen Bademeistern standhält: Bademeister (zumindest die der alten Schule) kennen alle auf dem Gelände, sind immer präsent, ohne ihre Anwesenheit geht keiner ins Wasser, ihre Pfeife unterbindet unsportliches Verhalten sofort, sie sind stets an ihrem Aussehen erkennbar, von ihrem Arbeitsplatz aus haben sie alles im Blick, sie schaffen für die Anwesenden ein Gefühl von Sicherheit („Du schaffst das!“), sie nehmen Prüfungen ab und freuen sich am Erfolg der Prüflinge – und ihr Arbeitsraum beinhalte immer einen Rettungsring und eine Erste-Hilfe-Ausrüstung für die Notfälle samt Kühl-Akku für Fälle von Überhitzung. So sei das auch im Büro von Wolfgang Clößner gewesen. Den Rettungsring, überreicht von der Fachschaft Sport, nimmt Clößner nun mit nach Hause.

Ebenso wie den historischen Vergleich der Fachschaft Geschichte. Wer war wohl die historische Lieblingsperson von Wolfgang Clößner? Thema in ungezählten Abiturprüfungen Geschichte der vergangenen vier Jahrzehnte? Otto von Bismarck! „Dabei könnten Eure Führungsstile unterschiedlicher nicht sein“, konstatierte Katja Koch für die Fachschaft Geschichte, denn „anders als Bismarck, hinterlässt Du keine gespaltene Gesellschaft.“ Und doch bleibe eine große Gemeinsamkeit: „Es ist nicht leicht, unter diesem Kanzler Kaiser zu sein“, zitierte Koch Kaiser Wilhelm II. über Reichskanzler Bismarck. Dieser habe insgesamt unter drei Kaisern gedient – so wie drei Schulleiter unter Clößner „gedient“ hätten. „Es wird wohl ein Geheimnis bleiben, was Rehner, Bleise und Eller insgeheim über die Zusammenarbeit mit Clößner gedacht haben“, regte Koch zu Spekulationen an – Hilgenfeld klärte später für alle ehemaligen Schulleiter auf: „Ohne Eitelkeit vermessen – wird man diesen Mann vermissen!“

Was die Schülerinnen und Schüler über den scheidenden stellvertretenden Schulleiter dachten, wussten Franziska Deliry und Cordula Rudek für die Fachschaft Latein: „Wolfgang Clößner sorgt sich um seine Schüler“, „Wir lernen bei Wolfgang Clößner fürs Leben“ und „Sein Unterricht fühlt sich lebendig an“, seien die Aussagen aus seinem letzten Oberstufen-Kurs. Über die rein unterrichtlichen Inhalte des Fachs Latein hinaus habe er mit seinem stetigen Einsatz für die Rom-Fahrten in der Oberstufe bleibende Erinnerungen für Generationen von Schülerinnen und Schülern geschaffen – samt Rettungsaktionen für Koffer am Bahnsteig in letzter Sekunde, Bademeistertätigkeit (!) am Strand von Ostia, oder einfach beim „genüsslichen Eis-Schlabbern“.

Der Kreis einer mehr als 40jährigen Karriere schloss sich, als Marcus Schlimbach (Wöhler-Schüler, als Clößner seine Tätigkeit an der Wöhlerschule begann und jetzt im Schulelternbeirat tätig) zurückblickte auf die gemeinsame Zeit als Schüler und als Elternvertreter: „Verstehen Sie es als Kompliment, wenn wir sagen, heute geht ein Urgestein.“ Clößner habe auch Elterngenerationen mit seinem Engagement geprägt. Aus Schülersicht unvorstellbar sei, wie viele Momente, Ereignisse und Geschichten in so einer langen Zeit stattgefunden hätten, so Moritz Müller und Tim Ebersbach für die Schülervertretung (SV). Clößner habe den Schülerinnen und Schülern beigebracht, dass es im Leben um mehr gehe als um Leistung – und stattdessen um Teamgeist und darum, mit Herz bei der Sache zu sein.

Auch Tanja Velte und Markus Walter aus Wolfgang Clößners erstem Tutorenkurs wussten (zitiert aus dem Abi-Buch von damals), was die Besonderheiten ausmachte: In den Kategorien „Hat uns am meisten fürs Leben mitgegeben“ und „Werden wir vermissen“ habe Clößner schon in den frühen 90er Jahren gewonnen. „Danke, dass Sie die Wöhlerschule für uns alle zu einem besseren Ort gemacht haben“, fassten die aktuellen Schulsprecher Moritz Müller und Tim Ebersbach zusammen. „Die Kraft und Liebe und Motivation wird uns allen bleiben – in tausenden von Schülern.“

Oder – wie Florian Cieslik für die Erweiterte Schulische Betreuung es formulierte: „Du prägtest Wöhler – Generation um Generation.“

Dazu gehörte auch der musikalische Schwerpunkt der Wöhlerschule. Mit „As time goes bye“ aus Clößners Lieblingsfilm „Casablanca“ und anderen Filmmusiken trugen die Musikerinnen und Musiker der Fachschaft dazu bei, dass der Abschied von und für Wolfgang Clößner daran erinnerte, was Ihm stets wichtig war. Dass er damit ankam bei den Schülerinnen und Schülern belegten die Top-Plätze, die Wolfgang Clößner in folgenden Kategorien Jahr um Jahr in den Abi-Büchern belegte: Er war meist unter den Höchstplatzierten bei den Fragen „Hat uns am meisten fürs Leben mitgegeben“ und „Werden wir vermissen.“

Christina Rathmann

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