„Berry Westenburger werden wir nicht vergessen, er hat uns einen ganz besonderen,

                     einen persönlichen Zugang zur Geschichte ermöglicht!“

(WöhlerschülerInnen der Jahrgänge 11 und 12 nach einem Gespräch mit Herbert Westenburger im September 2012)

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„Möge einer folgenden Jugendgeneration jedwede Diktatur erspart bleiben!“

(Berry Westenburger, am 3.9.2013)

 

Herr Westenburger war viele Jahre bis 2013 als Zeitzeuge in Frankfurter Schulen aktiv und kam in den vergangenen zehn Jahren regelmäßig auch in die Wöhlerschule. Schüler/innen der Jahrgänge 9-13 konnten mit ihm einen ganz besonderen Geschichtsunterricht erleben. Er erzählte seine Geschichte als Jugendlicher in der Zeit des Nationalsozialismus, der sich als freiheitsliebendes Mitglied der Wandervogelbewegung der Diktatur widersetzte.

Den ersten sehr intensiven und persönlichen Kontakt zu Herbert Westenburger hatte es 2003 gegeben, als er eine Schülergruppe unterstützte, die an dem hessenweiten Wettbewerb „Jugend debattiert“ teilnahm. Das Thema lautete „Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?“. Die Schülergruppe führte mit Herbert Westenburger sehr lange, sehr persönliche Interviews und bekam von ihm eindrucksvolles und berührendes, bisher unveröffentlichtes Material zur Verfügung gestellt (u. A. Gestapo-Schreiben, Briefe, Photos). Die vorgelegte Arbeit „Jugend und Widerstand – Emanzipation von Jugendlichen im Nationalsozialismus und heute“ wurde von der Jury mit dem zweiten Platz und der Ehrung bei der Abschlussveranstaltung in der Paulskirche belohnt.

Im Herbst 2013 war Herbert Westenburger zum letzten Mal in der Wöhlerschule. Er hatte diesen Besuch bereits im September 2012 zugesagt und wollte sein Versprechen unbedingt halten, obwohl er damals schon mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte.

Herbert Westenburger, geboren 1920 in Frankfurt am Main, tritt 1932 der bündischen Jugendgruppe „Nerother Wandervogel“ bei, die 1934 von den Nationalsozialisten verboten wird. Er geht mit der autonomen Jungenschaft, die sich dem Naziregime nicht unterordnen wollte, in die Illegalität. 1938 wird er in Frankfurt verhaftet, sieben Monate später amnestiert und 1939 als Flaksoldat zur Wehrmacht eingezogen, kämpft an der Westfront und in Berlin, gerät in amerikanische Gefangenschaft, aus der er vergeblich zu fliehen versucht. 1946 kehrt er nach Frankfurt zurück.

In seinen Vorträgen in der Wöhlerschule las Herr Westenburger auch aus seinem Buch „Wir pfeifen auf den ganzen Schwindel – Versuche jugendlicher Selbstbestimmung“. Durch seine umfangreiche Sammlung an Dokumenten und Fotos sowie seine lebendige Erzählweise und Diskussionsfreude entstand für die Schüler/innen ein anschauliches Bild von der Unterdrückung und Verfolgung eines freisinnigen und naturverbundenen Jugendlichen in der NS-Zeit. Neben besonders ergreifenden Momenten, wie zum Beispiel der Verschleppung und dem Tod der Mutter im Vernichtungslager Auschwitz und der siebenmonatigen Gestapohaft Berry Westenburgers im Frankfurter Gestapogefängnis Klapperfeld erzählte er auch von heiteren Erlebnissen, wie dem Versuch per Anhalter aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft zu fliehen.

 

Die Wöhlerschule ist dankbar dafür, dass Herbert Westenburger unermüdlich, mit Engagement und Humor über seine Lebensgeschichte gesprochen und damit zur Aufklärung über Leben und Widerstand in der Nazidiktatur beigetragen hat.

 

Weitere Informationen:

Herbert Westenburger, „Wir pfeifen auf den ganzen Schwindel – Versuche jugendlicher Selbstbestimmung“, Baunach 2008
www.herbert-westenburger.de

von: Wolfgang Clößner und Martina Faltinat, Oktober 2015

 

Herbert Westenburger beim Vortrag in der Wöhlerschule, 2013 (Foto: M.Faltinat)
Herbert Westenburger beim Vortrag in der Wöhlerschule, 2013       (Foto: M. Faltinat)

 

Herbert Westenburger, 93 Jahre, nach seinem letzten Vortrag in der Wöhlerschule im Sommer 2013, mit Frau Brehl (links) und Herrn Clößner (rechts) (Foto: M.Faltinat)
Herbert Westenburger, 93 Jahre, nach seinem letzten Vortrag in der Wöhlerschule im Sommer 2013, mit Frau Brehl (links) und Herrn Clößner (rechts)        (Foto: M. Faltinat)

 

Herbert Westenburger, Abschied von der Wöhlerschule 2013 (Foto: M.Faltinat)
Herbert Westenburger, Abschied von der Wöhlerschule 2013       (Foto: M. Faltinat)

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